So funktioniert das Asylsystem in Deutschland – Teil 3 – Rückreise und Abschiebung

Wie umfangreich und „service-Orientiert“ unser Asylsystem ist, haben wir in den ersten beiden Teilen bereits ausführlich beleuchtet. Der Eindruck wird erweckt, dass das System so ausgelegt ist, dass jedwede Migration in unser Land mit einer Bleibeperspektive belohnt wird.

In ganz seltenen Fällen kommt es hingegen tatsächlich zu Abschiebungen oder freiwilligen Ausreisen. Freiwillig? Ja, in manchen Jahren ist die Anzahl freiwilliger Ausreisen gar höher als die der Abschiebungen – wieso das so ist, werden wir später noch erläutern.

 

Wer aber auch nur kurzzeitig in das Heimatland, aus dem geflohen wurde, zurück möchte, kann dies relativ problemlos tun. In diesem dritten und letzten Teil unserer Artikelreihe geht es daher um das Thema Ausreisen und Abschieben.

Asylsystem in Deutschland – Zahlen zu Abschiebungen

Sehen wir uns zunächst die Relation der Abschiebungen zu den Asylanträgen (Erst- und Folgeanträge) je Jahr an, so stellen wir fest, dass das Kalkül der Union, SPD und Grünen aufgegangen ist: Fast jeder, der kommt, kann bleiben.

Quelle: BAMF, BPB

Zur Einordnung: Im Jahr 2023 gab es etwas über 351.000
Asylanträge (Erst- und Folgeanträge). Im selben Jahr wurden knapp 13.000
Personen abgeschoben – dreizehntausend in einem Jahr. Da die Gesamtschutzquote bei Asylbewerbern kaum 50% beträgt, würde es
demnach 13,5 Jahre dauern, um die illegale Zuwanderung eines Jahres (!)
abzuschieben.

Aslyurlaub – Widerruf des Schutzstatus extrem selten

Wer kennt es nicht: Das tägliche Pendeln in die Moschee, das Entspannen im Shisha-Café, der wöchentliche Termin beim Barber-Shop, der monatliche Gang zum Geldautomaten. Von den ganzen Strapazen erholen kann man sich mit einem sogenannten Asylurlaub.

Ganz so einfach ist es zwar nicht, aber auch nicht unmöglich. §73 AsylG regelt die Widerrufs- und Rücknahmegründe für einen Schutztitel. Diese, so könnte man annehmen, greifen dann, wenn ein Flüchtling in sein Heimatland zurückkehrt und anschließend wieder nach Deutschland kommt. Doch, wie sollte es auch sonst sein, gibt es Ausnahmen. Beispielsweise werden Reisen aus sog. „sittlichen Gründen“ toleriert.

Darunter fallen beispielsweise Beerdigungen oder der Besuch eines schwerkranken Familienangehörigen, aber auch Eheschließungen wie Scheidungen . Schon seit 2015 schreibt die EU vor, dass jeder Einzelfall geprüft werden müsse – eine automatische Aberkennung des Schutzstatus darf nicht stattfinden.

Einerseits kann man vorab mit dem BAMF in Kontakt treten und eine Genehmigung einholen, andererseits könnte es nach der Wiedereinreise nach Deutschland zu einem sog. Widerrufsverfahren kommen. Hier reichen dann Belege aus, die den Grund für die Reise belegen, beispielsweise der Totenschein des im Heimatland verstorbenen oder ein Attest des behandelnden Arztes des schwerkranken Familienmitgliedes. Wie schwer man an derartige Dokumente in bestimmten Ländern kommen kann, lässt sich nur mutmaßen.

Für das Jahr 2022 wurde eine Zahl von 32.500 Widerrufsverfahren gemeldet, wovon in 2.500 Fällen der Schutzstatus widerrufen worden ist.

Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen: Vorstellbar ist eine Reise in ein Nachbarland des Heimatlandes sowie die anschließende Weiterreise über den Landweg ohne „lästigen Stempel“ im Pass.

 

Selbstredend kann gegen den Widerruf auch geklagt werden. Und als wäre dies noch nicht genug, bedeutet der Widerruf keineswegs den sofortigen Entzug des Schutzstatus und der Aufenthaltsgenehmigung. Als eine Art Serviceleistung des BAMF wird zunächst geprüft, ob ein anderer Schutzstatus vorliegen könnte (beispielsweise subsidiärer Schutz), oder ein Abschiebeverbot möglich ist. Die Ausländerbehörde prüft ebenfalls, ob nicht ein asylunabhängiges Aufenthaltsrecht möglich ist. Die Ausländerbehörde kann, wie wir bereits in Teil 2 geschrieben haben, unabhängig der BAMF-Entscheidung einen Aufenthaltstitel ausstellen. 

Aslyurlaub - Ein Beispiel

Nehmen wir ein (fiktives) Beispiel, um diese staatliche Fürsorge einmal genauer zu beleuchten: Ein syrischer Kriegsflüchtling, Youssef, lebt seit zwei Jahren in Deutschland und fliegt nach Syrien, um dort die Liebe seines Lebens, Aischa, zu ehelichen. Gemeinsam verbringen die beiden die Flitterwochen im Land und nach zwei Monaten kehrt er, vorerst alleine, nach Deutschland zurück, in der Absicht, seine neue „Ehefrau“ alsbald per Familiennachzug nachzuholen. Leider wird er auf der Rückreise Opfer eines Diebstahls und sein Mobiltelefon, worauf die Fotos der Hochzeit sind, wird entwendet. Das BAMF bekommt Wind von Reise, als er in Deutschland einreist und leitet das Widerrufsverfahren ein.

Youssef muss sich schriftlich zu der Sache äußern, kann aber keine glaubhaften Belege vorlegen – sein iPhone ist, wie er über die Ortungsfunktion sehen kann, mittlerweile auf einem marokkanischen Schwarzmarkt zu erwerben. Mangels Belege beschließt das BAMF, den Schutzstatus zu widerrufen. Aber Youssef hat Glück im Unglück. Das BAMF prüft automatisch, ob nicht ein anderer Schutzstatus, oder ein Abschiebeverbot greifen könnte. Es stellt fest, dass Youssef subsidiären Schutz erhalten kann, schließlich droht im Heimatland Syrien Gefahr für Leib und Leben, weswegen er unter keinen Umständen in das Land, in welches er zuvor freiwillig gereist ist, abgeschoben werden darf. Youssef ist erleichtert von der frohen Kunde und plant schon die nächste Reise – dieses Mal ist seine Tante schwer erkrankt und er möchte ihr beistehen.

Rückkehrprogramm – Premium Service und Geld fürs Ausreisen

Wem das Wetter in Deutschland doch zu sehr aufs Gemüt schlägt, wer nicht das erhoffte Einfamilienhaus, sondern lediglich eine kleine Neubauwohnung erhalten hat, oder wer schlichtweg nur irritiert ist von „Demonstrationen“, auf denen Menschen in Hundemasken herumlaufen, sich gegenseitig auspeitschen und dabei bunte „progressive“ Fahnen schwenken, kann mithilfe eines Rückkehrprogrammes die Reise zurück in das Land, aus dem man zuvor „geflohen“ ist, antreten.

 

Die freiwillige Rückkehr steht prinzipiell sowohl Schutzberechtigten wie abgelehnten Asylbewerbern offen. Wie üblich gibt es auch hier zahlreiche Programme und Organisationen: ERIN (European Reintegration Network), EURP (EU Reintegration Programme), ZIRF (Zentralstelle für Informationsvermittlung und Rückkehrförderung), REAG (Reintegration and Emigration Programme for Asylum Seekers in Germany), GARP (Government Assisted Repatriation).

Die Serviceleistungen sind umfangreich: Es werden alle Vorkehrungen getroffen, Papiere besorgt, Genehmigungen eingeholt. Für viele Herkunftsländer gibt es zudem „Starthilfen“. So kann beispielsweise eine Wohnung vermittelt (und übergangsweise bezahlt) werden, aber auch Startgeld und – selbstredend – Reisegeld wird ausgezahlt.

 

 

Für die Türkei gibt es beispielsweise die folgenden Programme:

REAG/GARP 2.0: 

 

  • Flug- oder Busticket: Fahrtkosten vom Wohnort zum Flughafen oder (Bus-)Bahnhof
  • Geld für die Reise (Reisebeihilfe): 200 EUR pro Person (100 EUR pro Person unter 18 Jahren)
  • Medizinische Unterstützung: während der Reise (zum Beispiel Rollstuhlservice, medizinische Begleitperson) und im Zielland (maximal 2.000 EUR für bis zu drei Monate nach Ankunft)
  • Einmalige Förderung: 1.000 EUR pro Person (500 EUR pro Person unter 18 Jahren, pro Familie maximal 4.000 EUR)

Und ein kleines Bonbon obendrauf gibt es noch eine Art „Turbo-Prämie“, für alle, die sich schnell entscheiden:

 

„Wenn Sie Deutschland bereits nach kurzer Zeit wieder verlassen möchten, erhalten Sie unter bestimmten Voraussetzungen 500 EUR finanzielle Unterstützung (bis zu 2 Monate nach der Erstellung des negativen Asylbescheides). Dies ist ein fester Betrag, egal ob Sie alleine oder mit der Familie ausreisen. Die Unterstützung ist von Ihren Gründen für die Ausreise unabhängig.“

(Quelle)

Reintegrationsprogramm - Noch mehr Geld

Wir sind aber noch nicht fertig. Bei dem Rückkehrprogramm handelt es sich schließlich um ein Premiumprodukt – für die Gäste nur das Beste.

Zusätzlich zum oben genannten „Rückkehrprogramm“, gibt es anschließend noch das „Reintegrationsprogramm“.

Für das Herkunftsland Türkei bietet sich hier das Angebot des EURP an. Der Service umfasst folgendes:

 

a) Kurzzeit-Unterstützung („Post Arrival Package“ – bis zu vierzehn (14) Werktage nach der Ankunft):

  • Flughafenabholung
  • Weitertransport zum Zielort
  • Notwendige Übernachtungen vor der Zielorterreichung
  • Medizinischer Zusatzbedarf
  • Familienzusammenführung für unbegleitete Minderjährige

Die Kurzzeit-Unterstützung kann sowohl als Sachleistung und/oder in bar ausgezahlt werden.

 

Die Höhe der Leistungen orientiert sich an folgenden Beträgen:

  • Freiwillige Rückkehr: 615 EUR pro Person
  • Rückgeführte Personen: 205 EUR

b) Langzeit-Unterstützung („Post Return Package“ – bis zu 12 Monaten nach der Ausreise):

  • Wohnungsunterstützung
  • Medizinischer Bedarf bei schweren Erkrankungen
  • Schulische und berufliche Bildungsmaßnahmen
  • Beratung zu Arbeitsmöglichkeiten und Hilfestellung bei der Suche nach einem Arbeitsplatz
  • Unterstützung bei der Gründung eines (eigenen) Geschäftes
  • Familienzusammenführung
  • Rechtliche Beratung und administrative Unterstützung
  • Psychosoziale Unterstützung.
  • Die Langzeit-Unterstützung wird grundsätzlich nur als Sachleistung gewährt.
  • Die Höhe der Unterstützung orientiert sich an folgenden Beträgen:
  • Freiwillige Rückkehr (Hauptantragsteller): 2.000 EUR – jedes weitere Familienmitglied: 1.000 EUR
  • Rückgeführte Personen: 1.000 EUR

(Quelle)

 

Als Sahnehäubchen obendrauf kann man den Antrag auch bis zu fünf Monate (!) nachträglich nach Ankunft im Heimatland stellen.

Rückkehrprogramm - Ein Beispiel

Nehmen wir auch hier zur Verdeutlichung erneut ein fiktives Beispiel an: Familie A., bestehend aus Vater, Mutter und drei Kindern lebt in der Türkei. Gesundheitlich hat es die Familie schwer getroffen. Der Vater erlitt einen Leistenbruch, die Mutter leidet unter akuter Cholezystitis (eine Gallenblasenentzündung), zwei Kinder haben in einer „Rauferei“, bei der sie die Ehre der Familie mit ihren Fäusten „retteten“, Kieferfrakturen erlitten. Die finanziellen Mittel sind erschöpft, aber über Instagram erfahren sie von diversen „Flüchtlingshelferorganisationen“ von der Möglichkeit, in Deutschland Asyl zu beantragen. Zwar sind die Chancen auf einen Schutzstatus für Türken recht niedrig, aber das heißt ja nicht, dass man keine Leistungen erhält. Der Flug nach Deutschland ist erschwinglich und schnell gebucht.

 

Nachdem das Asylersuchen am Flughafen geäußert worden ist, beginnt zunächst die Bearbeitung des Antrages. Die ehrenamtliche und indirekt durch staatliche „Förderung“ finanzierte Flüchtlingshelferin, Mia-Felicitas, betreut die Familie und kümmert sich um alle notwendigen Dokumente und Formulare, während sich die Familie im nahegelegenen Shisha-Café um Integration bemüht.

 

Der Familie stehen sämtliche Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz zu: Unterkunft, Essen, Geld, medizinische Versorgung. Die Arztbesuche und notwendigen Operationen sind schnell organisiert und terminiert, denn medizinisch akute notwendige Versorgung muss gewährleistet sein. Die Ärzte rechnen direkt mit den zuständigen Sozialbehörden ab, in der Regel zu Sätzen wie bei gesetzlich Versicherten – in manchen Kommunen wird auch direkt eine Krankenversicherungskarte ausgehändigt.

 

Familie A. ist glücklich und wieder gesund, allerdings erhalten sie eine „negative“ Nachricht vom BAMF. Der Asylantrag wird abgelehnt, es besteht kein Schutzstatus und auch ein Abschiebeverbot greift nicht – sie müssen das Land binnen 30 Tagen verlassen.

 

Dank der intensiven Betreuung durch Mia-Felicitas erfahren sie von den zahlreichen RückkehrprogrammenAngebote, die man nicht ablehnen kann.

Gemeinsam im bestellten Sammeltaxi verlassen sie ihre Unterkunft auf dem Weg zum Flughafen. Dort angekommen wird die Familie von einer Mitarbeiterin des Rückkehrerprogramms erwartet, die lächelnd die Schecks in Höhe von insgesamt 3.500 EUR überreicht.

 

In der Türkei angekommen, greift dann der Service des EURP. Die Familie wird vom Flughafen abgeholt und zum Zielort gebracht. Für die nächsten 12 Monate erhalten Sie Leistungen aus dem „Post Return Package“ des EURP – die weiter oben bereits genannt wurden.

 

Im Jahr 2023 gab es 10.763 freiwillige Ausreisen.

Das Asylsystem in Deutschland - Schlussbemerkung

Dass eine Ausreisepflicht seitens des Staates nicht so genau genommen wird, wie eine Steuerpflicht, ist hinlänglich bekannt. Die Altparteien haben schon lange auch öffentlich kundgegeben, dass man auf Abschiebungen verzichtet. Hinzu kommen die zahlreichen rechtlichen Hürden, die zwar hausgemacht sind, aber immer wieder für gute Ausreden von Politikern herhalten können.

Freilich gibt es hin und wieder Bekundungen, garniert mit Krokodilstränen, dass (insbesondere) kriminelle Asylbewerber abgeschoben werden sollen. Nicht erst zuletzt, nach dem Polizisten-Mord in Mannheim. Doch die Vergangenheit zeigt, dass dies (leider) nur heiße Luft ist und keinerlei Handlungsbereitschaft vorhanden ist.

 

Unser Asylsystem ist, wirtschaftlich betrachtet, ein absolutes Premiumprodukt, welches weltweit angeboten wird und nahezu konkurrenzlos ist. Kann man jemanden, dem ein so unschlagbar gutes Angebot gemacht wird, böse sein, wenn er es annimmt? Sicherlich nicht. Versetzt man sich in die Lage dieser Menschen, würde man eher sagen: Ich wäre blöd, wenn ich das Angebot nicht annehme!

 

Das Asylsystem in dieser Form ist ein einziges finanzielles Anreizsystem, ohne nennenswerte Sanktionsmöglichkeiten und Pflichten. Etwas überspitzt gesagt: Wer schon einmal Wohngeld, Arbeitslosengeld, Kinderzuschlag oder eine andere Sozialleistung beantragt hat, macht folgende Erfahrung: Es wird alles Mögliche getan, um die Leistung zu verwehren. Unzählige Fragen müssen beantwortet werden, Kontoauszüge vorgelegt und Fragen wie „Wie konnten Sie denn vorher überleben“ beantwortet werden. Ein latentes Gefühl von Misstrauen und Abneigung liegt in der Luft. Im Asylsystem, wo es um Menschen geht, die nicht einen Cent in unser Sozialsystem eingezahlt haben, funktioniert es anders: Es wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass jeder Asylbewerber arm ist, Anspruch auf irgendeinen Schutzstatus oder mindestens ein Abschiebeverbot hat und alle eine „weiße Weste“ haben.

 

Es wird Zeit, dieses System zu reformieren.